Wo sind die guten Lehrlinge?

Von Dr. Rodion Hilbert

Zurzeit läuft die Einstellungsrunde für den Ausbildungsbeginn Sommer 2013. Der Eingang von Bewerbungen läuft bisher eher schleppend, obwohl meine offene Stelle im Internet gleich an mehreren Stellen veröffentlicht ist.

Das ist die eine Hälfte des Trauerspiels. Die andere Hälfte ist die Qualität der Bewerbungen. Die Übermittlung per Mail ist der Regelfall. Ihr Inhalt besteht aus einem einfachen einleitenden Satz und dem Anhang mit den Bewerbungsunterlagen. Für viele Bewerber ist es schon zu schwer die Anrede und den einleitenden Satz ordentlich und fehlerfrei zu verfassen. Hier ein Beispiel:

Hirmit wollte ich mich bei Ihnen als Steuerfachangesteller bewerben, ich habe an diese E-Mail alles angehängt was benötigt wird

Es fehlen Anrede und Grußfromel, von den Fehlern ganz zu schweigen.

Was dann in den Bewerbungsunterlagen kommt ist in den meisten Fällen ähnlich katastrophal. Die Bewerbungsschreiben enthalten Rechtschreibfehler und sind inhaltlich schwach. Ganz oft klingen sie so ähnlich, als ob sie alle auf derselben Standardvorlage basieren würden. Häufig sind sie zwar an mich adressiert, aber in der Anrede steht noch eine Anrede aus einem der vorangegangenen Schreiben.  Manche wissen nicht einmal so recht, für welchen Beruf sie sich bewerben (verkürzte, anonymisierte Darstellung mit allen enthaltenen Fehlern):

Betreff: Bewerbung für einen Ausbildungsplatz zum Steuerfachangestellten

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe ihre Anzeige im Internet gesehen und bewerbe mich hiermit für einen Ausbildungsplatz zum Industrikaufmann.

Im Sommer 2013 werde ich die Schule mit dem Abitur abschließen. Anschließend würde ich gerne eine Ausbildung in Richtung meines Berufswunsches „Bankkaufmann“ machen.

Des weiteren sind die Schulnoten schwach. Die Bewertung der Mitarbeit im Zeugnis deutet auf chronische Unlust hin. Manchmal sind auch Zeiten unentschuldigten Fehlens zu finden.

Die Bewerber gehören zu einer Generation, die mit dem Computer aufgewachsen ist. Ich unterstelle deshalb, dass sie alle mit Word und Excel gut umgehen können. Es steht auch fast in jeder Bewerbung, dass gute Office-Kenntnisse vorhanden sind. Viele Bewerber verschicken im Anhang Word-Dokumente. Selbstverständlich kontrolliere ich dort den Umgang mit der Software. Wenn man sich die Absatzmarken etc. anzeigen lässt wird schnell klar, dass fast alle keine Ahnung von Word haben.

Von 10 Bewerbungen bleibt dann vielleicht eine, die mich dazu bringt, ein Vorstellungsgespräch zu führen. Das bringt mich zum Nachdenken:
– Kümmern sich die Eltern nicht um die schulischen Leistungen ihrer Kinder?
– Lernen Schüler in der Schule keine Rechtschreibung etc.?
– Informieren sich die Schulabgänger nicht, wie eine Bewerbung auszusehen hat, was sie enthalten muss etc.?
– Nutzen die Schüler ihre Computer nur für Facebook, Youtube, Spiele und Co.?
– Bewerben sich für den Beruf des Steuerfachangestellten nur noch die schwächsten der Schulabgänger?
– Oder bin ich einfach nur zu anspruchsvoll?

Bei mir wird sich demnächst eine Bewerberin vorstellen. Ich hoffe, dass sie hält, was ihre Bewerbung verspricht. Ich wäre glücklich.