Der Ehestand und seine Beendigung
Von Otto-A. Peters
oder: Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung – Anregungen zur Rechtsfortbildung vor dem Hintergrund der Entscheidung des niedersächsischen Finanzgerichtes vom 3.3.2015 – 3 K 297/14
Puh – so eine lange Überschrift! Es ist aber auch ein vielschichtiges und großes Problem, nicht nur wegen der vorstehend zitierten Rechtsprechung. Die Revision ist übrigens anhängig beim BFH unter VI R 19/15.
Nachdem das o.a. Urteil in der Welt war, nach ursprünglichem Schmunzeln und abwechselndem Kopfnicken und Kopfschütteln, hatte ich schon fast vergessen, worum es ging. In einer Fortbildung letzte Woche hat dann der Referent in seiner drögen Art das ganze steuerliche Scheidungsdrama nochmals entfaltet.
Die Überraschung hat das Gericht wie folgt formuliert:
„Die Scheidungskosten des Klägers sind nicht aufgrund eines außergewöhnlichen Ereignisses entstanden. Die Ehescheidung kann unter Berücksichtigung der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse im Streitjahr 2013, die durch statistische Erhebungen belegt sind, nicht mehr als außergewöhnliches Ereignis im Sinne des § 33 EStG angesehen werden.“
Wenn ich mich so im Kreise der Verwandten, Freunde und Bekannten umschaue und wenn ich mir vor Augen führe, wie oft ich im Kanzlei-Alltag mit Ehe-Endzeit-Situationen konfrontiert bin, kann ich nur sagen: so unrecht haben die nicht!
Die Ehe ist seit jeher in vielen steuerlichen Witzen und Cartoons abgehandelt worden, so z.B. unter dem Titel: „Meine Frau ist eine außergewöhnliche Belastung“ (Ralf Sikorski, Herne/Berlin 2003).
Wenn man das für bare Münze nimmt, kommt zunächst ein ganz anderer Aspekt ins Spiel: Kann der Aufwand für die Befreiung von einer außergewöhnlichen Belastung wiederum eine außergewöhnliche Belastung sein? Gilt das nicht für jede außergewöhnliche Belastung, auch für die Arztkosten, die einen von der Belastung mit einer Krankheit befreien? Und wenn die scheidungsbedingte Beendigung des Ehestandes keine außergewöhnliche Belastung mehr ist, was denn dann?
Gehen wir systematisch vor und beziehen wir dabei statistische Argumente mit ein. Das FG Niedersachsen hat insbesondere zwei Zahlen mit veröffentlicht: So sei die Zahl der Eheschließungen seit 2001 mit rd. 380.000 p.a. ungefähr konstant, die der Scheidungen mit rd. 190.000 p.a. auch.
Zunächst lässt sich feststellen: Das hoffnungsfrohe Eingehen der Ehe ist noch keine außergewöhnliche Belastung, da die Beteiligten bei diesem Schritt eher Euphorie empfinden. Eine Belastung fehlt, die Kosten für die Hochzeitsfeier werden gern und freiwillig gezahlt. Die Ehestandsquote liegt bei 100%.
Die Frage ist nun: Wann schlägt die Stimmung um und wie belastend ist das?
Wenn die Partner nach 7, 10 oder wer weiß wievielen Jahren die Reißleine ziehen, weil es nicht mehr geht: Die Befreiung nach einer Scheidung soll groß sein. Die Hälfte derer, die den Schritt in die Ehe wagen, lässt sich scheiden und beendet dadurch einen sie belastenden Zustand. Hier sind wir wieder bei der entscheidenden Frage: Kann die Befreiung von einer Belastung eine außergewöhnliche Belastung sein?
Ist es nicht vielmehr andersherum? Ist nicht vielmehr die Aufrechterhaltung einer psychisch und oftmals auch physisch belastenden Situation eine Belastung? Spinnen wir mal die Statistik fort. Vielleicht findet ein Finanzgericht ja demnächst einen Anlass, hier Sachverhalte zu ermitteln. Wenn also die eine Hälte der Ehen geschieden wird, besteht die andere Hälfte weiter.
„Die Ehe ist der Sonderfall eines Abonnements, das mehr
Geld kostet, als wenn man einzelweise bezahlen müßte.“
(Gabriel Laub, „Verärgerte Logik“, Reihe Hanser Bd. 21., München 1969)
Wieviele der fortbestehenden Ehen sind für die Beteiligten
- glücklich
- befriedigend
- neutral
- belastend?
Die Gauß´sche Normalverteilung unterstellt, empfinden die meisten Eheständler die Ehe als befriedigend oder neutral. Wenige sind glücklich, und genauso wenige sind mehr als die übrige Bevölkerung (auch mehr als die Geschiedenen!) belastet. Damit haben wir genau die Minderheiten, die § 33 EStG fordert, um entsprechende Aufwendungen abziehen zu können.
Aber welche Aufwendungen kommen in Frage? In Anbetracht der vom Gesetzgeber definierten zumutbaren Belastung ist der Blumenstrauß für den vergessenen Hochzeitstag im Zweifel nicht teuer genug. Wie soll man dem Finanzamt gegenüber nachweisen, dass die Kreuzfahrt im nächsten Urlaub zur Aufrechterhaltung einer halbwegs erträglichen häuslichen Stimmung unabdingbar notwendig ist (und dann muss es auch noch eine Außenkabine sein wegen ihrer albernen klaustrophobischen Anwandlungen und er ist die ganze Zeit seekrank … wenn das nicht belastend ist …)? Ob man wohl einen Psychologen zu einem gerichtsfesten Gutachten in dieser Angelegenheit bewegen kann? Kommen die Gutachterkosten zu denen für die Kreuzfahrt hinzu? Muss die Verbesserung der häuslichen Stimmung als Erfolg der Maßnahme später nachgewiesen werden (was wiederum Gutachterkosten nach sich zöge)? Und ist ein sich evtl. anschließendes Weihnachtsgeschenk in Form eines Brilliantcolliers oder einer Flasche 50 Jahre alten Whiskeys in diesem Sinne noch vertretbar? Müssen nicht alle ehestandserhaltenden Maßnahmen, Blumen, Schmuck, Cognac, Zigarren, Restaurant-, Theater- und Opernbesuche (die für einzelne eine echte Belastung sein können) aufgezeichnet werden, um entsprechende Aufwendungen geltend zu machen?
Meine Silberhochzeit ist lange vorbei und bis zur Goldenen ist noch viel Zeit. Heute würde ich die Aufwendungen für eine Feier zur Silberhochzeit als außergewöhnlilche Belastung zum Abzug bringen. Wer so lange durchhält, kann nicht ganz unglücklich sein und braucht die Feier eigentlich gar nicht. Wenn die Eheleute viel Geld ausgeben, so ist das trotzdem oft eine Belastung, denn der Druck der lieben Verwandtschaft kann groß sein. Sie können sich der Feier deshalb einfach nicht entziehen (also wieder die Belastung durch die Befreiung von einer Belastung – wir drehen uns im Kreis – und dann ist da auch noch die Erbtante, die drohend mit dem Testament wedelt …).
Also, liebe Kollegen aus Niedersachsen, wer hat soviel Sportsgeist, die Kosten seiner demnächst anstehenden Silberhochzeit geltend zu machen? Dann kann rasch im Wege einer Sprungklage dem Finanzgericht in Hannover Gelegenheit gegeben werden, zu zeigen ob es ihm ernst ist, oder ob sein o.a. Urteil genau so satirisch gemeint war wie dieses kleine Pamphlet.
Liebe Leserin, lieber Leser, Danke, dass Sie bis hierher durchgehalten haben – aber Sie sind noch nicht erlöst.
Wir müssen uns (nur noch ganz kurz) mit § 33 Abs. 2 S.4 EStG auseinandersetzen. Da heißt es:
„Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.“
Wenn also ein Ehepartner frisch verliebt ist in jemanden außerhalb der Ehe, wie existenzbedrohend ist das für ihn, wenn ohne Scheidung ein Zusammenleben in der neuen Beziehung und u.U. auch mit neuen Kindern nicht möglich wäre? Sind nicht Kosten für einen Scheidungsprozess, der einem Ex-Ehepartner ein solches neues Leben ermöglichen würde, für ein lebensnotwendiges Bedürfnis aufgewendet? Hilft es, wenn er vor seiner neuen Flamme niederkniet mit den Worten: „Ich kann ohne dich nicht mehr leben!“? Mit dieser Argumentation werde ich bei nächster Gelegenheit gegen den Fiskus in den Ring steigen, aber nur, wenn die Scheidungskosten die Grenze der zumutbaren Belastung überschreiten.
So, jetzt bin ich am Ende – ob es zu einem happy end kommt, wird der BFH entscheiden.
Danach
Kurt Tucholsky
Es wird nach einem happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen-
da hat sie nun den Schentelmen.
Na,und denn-?
Denn jehn die beeden brav ins Bett
Naja…..diß is ja auch janz nett.
A manchmal möcht´ man doch jern wissen:
Wat tun se, wenn se sich nich kissen?
Die könn ja doch nich immer penn…..!
Na, und denn-?
Denn säuselt im Kamin der Wind.
Denn kricht det junge Paar ’n Kind.
Denn kocht se Milch. Die Milch looft üba.
Denn macht er Krach.Denn weent sie drüba.
Denn wolln sich beede jänzlich trenn…..
Na, und denn-?
Denn is det Kind nich uffn Damm.
Denn bleihm die beeden doch zesamm.
Denn quäln se sich noch manche Jahre.
Er will noch wat mit blonde Haare:
vorn doof und hinten minorenn….
Na, und denn-?
Denn sind se alt.
Der Sohn haut ab.
Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit-
Ach, Menschenskind,wie liecht det weit!
Wie der noch scharf uff Muttern war,
det is schon beinah nich mehr wahr!
Der olle Mann denkt so zurück:
wat hat er nu von seinen Jlück?
Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch und Langeweile.
Und darum wird beim happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
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